Kunst und Handwerk

Das Bauhaus war nie eine Kunstschule im herkömmlichen Sinne. "Kunst allein", so heißt es 1919 im Bauhaus-Manifest, sei "nicht lehrbar". Das Ziel der Ausbildung war vielmehr der universale Gestalter, der auch in Architektur, Handwerk oder Industrie schöpferisch arbeiten sollte.
Es war einer der Grundgedanken von Walter Gropius, am Bauhaus "die Lernenden von zwei Seiten zu befruchten, einmal von künstlerischer, zum anderen von handwerklicher Seite". Intuition erschien ihm ebenso unentbehrlich wie rationale Analyse und solides Handwerk, und er sah gerade im schöpferischen Potential avantgardistischer Kunst die Grundlage für ein lebendiges, zukunftsorientiertes Arbeiten an seiner neuen Schule.
 
"Der Kuenstler ist eine Steigerung des Handwerkers. Gnade des Himmels laesst in
seltenen Lichtmomenten, die jenseits seines Wollens stehen, unbewusst Kunst aus
dem Werk seiner Hand erbluehen, die Grundlage aber des Werkmaessigen ist
unerlaesslich fuer jeden Kuenstler. Dort ist der Urquell des schoepferischen
Gestaltens...."
 
"Was ist Baukunst? Doch der kristallene Ausdruck der edelsten Gedanken der
Menschen, ihrer Inbrunst, ihrer Menschlichkeit, ihres Glaubens, ihrer Religion!
Das war sie einmal! Aber wer von den Lebenden unserer zweckverfluchten Zeit
begreift noch ihr allumfassendes, beseeligendes Wesen? Da gehen wir durch unsere
Strassen und Staedte und heulen nicht vor Scham ueber solche Wuesten der
Haesslichkeit! Seien wir uns klar: Diese grauen, hohlen, geistlosen Attrappen, in
denen wir leben und arbeiten, werden vor der Nachwelt beschaemendes Zeugnis fuer
den geistigen Hoellensturz unseres Geschlechtes ablegen, das die einzige Kunst
vergass: Bauen."
 
Walter Gopius 
 
 


 

Henri Moore, 1930
  
Vor 30 Jahren war es notwendig, die Lehre von der Materialgerechtigkeit zu verfechten. Daraus hat mancher einen Fetisch gemacht. Ich glaube immer noch an die Wichtigkeit dieser Doktrin, doch sollte sie kein Kriterium für den Wert einer Arbeit bilden – sonst käme man dazu, den Schneemann eines Kindes auf Kosten eines Rodins oder Berninis zu loben.